Über den Vortrag
Wenn man durch manche Städte streift, fällt einem vielleicht eine subtile „Nachbarschaftsbeziehung“ auf: Neben Spielhallen finden sich fast immer auch Einrichtungen der Sexarbeit. Es wirkt zufällig, wiederholt sich jedoch immer wieder – handelt es sich um bloßen Zufall, oder verbirgt sich dahinter ein gesellschaftliches Phänomen? Am 27. September lädt die Blaue Haus Stiftung die Soziologin Dr. Susan Radant zu einem Vortrag ein. Sie arbeitete jahrelang in der deutschen Glücksspielbranche im Bereich der Spielsuchtprävention, stand regelmäßig im Austausch mit Mitarbeitenden der Spielhallen sowie mit Spielerinnen und Spielern und kennt aus eigener Erfahrung die Vorurteile und Tabus, denen die Branche ausgesetzt ist. Dr. Radant hat festgestellt, dass Glücksspiel und Sexarbeit nicht nur räumlich eng miteinander verbunden sind, sondern auch in Bezug auf gesetzliche Einschränkungen, gesellschaftliche Stigmatisierung und öffentliche Wahrnehmung erstaunliche Parallelen aufweisen. In ihrem Vortrag führt sie uns zurück zu den historischen Wurzeln: Wie sind Glücksspiel und Sexarbeit in der Antike entstanden? Welche Bedeutung verbirgt sich hinter dem Begriff „Rotlichtmilieu“? Und warum gelingt es beiden Branchen bis heute kaum, sich von tiefsitzenden Vorurteilen zu befreien? Mit einer besonderen Perspektive lädt Dr. Radant dazu ein, zwei scheinbar völlig unterschiedliche, jedoch stets ineinander verflochtene Felder zu erkunden – und die tieferliegende gesellschaftliche Logik dahinter freizulegen.
Spielhalle am Steintor in Hannover. Foto: Susan Radant
Im Folgenden stellt Dr. Susan Radant ihren Vortrag und die dazugehörige Forschung vor:
Warum tauchen Spielhallen und Bordelle so häufig nebeneinander auf? Mit dieser und vielen weiteren Fragen habe ich mich in meiner Forschungsarbeit beschäftigt. Doch wie kam ich zu diesen Fragestellungen – und warum wurden sie bisher so selten gestellt? In meiner früheren Tätigkeit als Präventionsberaterin für einen großen Spielhallenbetreiber habe ich viele Einblicke in die Welt des Glücksspiels gewonnen. Ich arbeitete eng mit Servicekräften, führte Gespräche mit Spieler:innen und wurde regelmäßig mit Gesetzesänderungen und neuen Regelungen zum Thema Spielerschutz konfrontiert. Dabei fiel mir vor allem zwei Dinge regelmäßig auf. Ersten: Spielhallen befinden sich überdurchschnittlich oft in unmittelbarer Nähe zu Orten sexueller Dienstleistungen – etwa Bordellen, Sexshops oder Laufhäusern. Zweitens: Trotz meiner Arbeit im Bereich Prävention musste ich feststellen, dass meine Tätigkeit immer wieder auf kritische Reaktionen stieß. Kommentare wie „Die Spielhallen gehören alle verboten!“ hörte ich nicht selten. Mich überraschte, wie stark diese Branche stigmatisiert und gesellschaftlich tabuisiert ist – und bis heute bleibt. Glücksspiel polarisiert in Deutschland. Während private Spielhallen häufig als unseriös und verrucht gelten, wirbt der Staat ganz selbstverständlich für Lotto-Jackpots oder Casinospiele. Dabei unterliegen gerade Spielhallen einer Vielzahl strenger gesetzlicher Auflagen, vor allem, was Standortwahl, Öffnungszeiten und Spielerschutz betrifft. Ähnlich strikte Vorgaben existieren auch im Bereich sexueller Dienstleistungen: So ist etwa genau geregelt, wo Straßenprostitution erlaubt ist oder unter welchen Bedingungen ein Bordell eröffnet werden darf – ohne als „sittenwidrig“ zu gelten. Beide Branchen – Glücksspiel und Sexarbeit – sind also nicht nur stark reguliert, sondern gesellschaftlich nach wie vor tabuisiert. Auch die Menschen, die dort arbeiten, sehen sich häufig mit Vorurteilen und sozialer Ausgrenzung konfrontiert.In meinem Vortrag werfe ich deshalb einen Blick zurück auf die Anfänge: Wo lagen die Wurzeln von Spielhallen und sexuellen Dienstleistungen in der Antike? Lassen sich bereits dort strukturelle oder kulturelle Parallelen erkennen? Und was wissen wir heute eigentlich über das sogenannte „Rotlichtmilieu“ – jenseits der Klischees? Welche Vorurteile halten sich hartnäckig, und was passiert wirklich hinter den Kulissen? Ich lade Sie ein, gemeinsam mit mir diese beiden Welten etwas genauer zu betrachten. Was verbindet sie? Welche gesellschaftlichen Mechanismen stecken dahinter? Und warum wird über beides – Glücksspiel und Sexualität – so wenig offen gesprochen? In meinem Vortrag nehme ich Sie mit auf eine kleine Reise durch zwei Welten, die mehr gemeinsam haben, als man denkt – offen, neugierig und ohne erhobenen Zeigefinger.
Zur Sprecherin
Dr. Susan Radant, geb. 1983, studierte Soziologie und Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Leibniz-Universität Hannover. Sie war mehrere Jahre in der Unterhaltungsbranche tätig und setzte die ersten gesetzlich geforderten Präventionskonzepte für große Spielhallenunternehmen um. Ihre Promotion erfolgte zum Thema „Eine Untersuchung zur Beziehungsanalyse zwischen Spielhallen und Sexangeboten“.
Information zur Veranstaltung
Datum: Samstag, 27.09.2025
Uhrzeit: 16:00–18:00 Uhr
Ort: Blaues Haus Bibliothek, Maschstr. 7, 1. OG, 30169 Hannover
Vortragssprache: Deutsch
Teilnahme: kostenfrei, Anmeldung erforderlich
Hinweise zur Teilnahme
- Teilnahme ab 14 Jahren.
- Frühzeitige Anmeldung empfohlen (begrenzte Plätze). Falls Sie kurzfristig verhindert sind, stornieren Sie Ihre Reservierung bitte rechtzeitig.
- Angemeldete Teilnehmer:innen werden gebeten, spätestens 5 Minuten vor Beginn einzutreffen.
- Aufzeichnungen jeglicher Art sind nicht gestattet. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
- Während der Veranstaltung werden Fotos aufgenommen und intern von der Blaues Haus Stiftung verwendet. Wenn Sie dem nicht zustimmen, informieren Sie uns bitte vorab unter nihao@lanshuwu.de